Slettnes Fyr Nordkyn

Slettnes Fyr auf der nördlichsten Halbinsel Nordkyn



27. Juni - 10. Juli   Der äusserste Norden und der äusserste Osten



Das Nordkapp wollten wir eigentlich auslassen aber da haben so viele davon geschwärmt. Die Verhältnisse sind optimal, Sonne und kein Regen in Sicht. In Alta füllt Hans AdBlue nach, vergisst aber den Diesel. Danach essen wir feinen Salat und fahren weiter. Die Tankanzeige meldet plötzlich Reserve, d.h. noch etwa 170km, aber mit Reserve können wir nicht mehr heizen. Die nächste Tankstelle ist in Honningsvag. Von dort sind es nur 45 km zum Nordkapp, der äusserste Norden von Europa auf der Insel Mageröya. Also nix wie los! Um 19 Uhr kommen wir an. Der Parkplatz ist voll und es stehen 15 Reisebusse da, dann noch Motorräder und ganz verwegen – Radfahrer.


Wir finden trotzdem einen Platz am Rand zu einer grossen Wiese. Am äussersten Rand Europas koche ich Zigerhöreli – echte Glarner Spezialität. Nach 23 Uhr gehen wir ins Gewühle. Wir kaufen eine Karte für die Ausstellung, Kaffee, Infos und Souvenirladen. Es gelingen einige tolle Föteli, wir spazieren bis um Mitternacht und gehen dann zum Bänz. Wir haben folgende Rechnung angestellt: 15 Reisebusse etwa 750 Leute, ca. 100 Camper 200 Leute, dazu noch Töff und Velos…. Das ergibt mehr als 1000 Leute an diesem Abend.


Am nächsten Morgen gehen wir zur Weltkugel. Wir sind fast allein im dichten Nebel. Ein Paar, das die ganze Nacht durchgefahren ist, zeigt sich enttäuscht. Einige Tourenfahrer hieven ihr Velo zur Kugel für einen Beweis ihres Erfolgs. Wir klatschen dazu. Aber dann verzieht sich der Nebel wieder, Sonne und freie Sicht zum Nordpol. Das Kaffee öffnet erst um 11 Uhr darum gönnen wir uns ein Zmorge im Restaurant. Dann fahren wir zurück nach Honningsvag.


Dort besuchen wir das Museum. Es zeigt Leben und Geschichte des Ortes und die Zerstörung im 2. Weltkrieg. Der Mageröytunnel ist 6,8 km lang und geht bis -210 m Tiefe unter das Meer, unser Navi zeigt dies exakt an.


In Kunes bleiben wir 2 Nächte und laden den ersten Teil des Reiseberichts hoch. Ja und Wäsche muss auch sein. Auf dem Weg nach Mehamn und Gamvik legt sich die Strasse wie eine Schlange in die Landschaft.


Am Sonntag 30. Juni fahren wir Richtung Mehamn. Abends um 19 Uhr legt hier das nordgehende Hurtigrutenschiff an. Das wollen wir sehen. Ich steure direkt in den Warteraum, eine kleine warme gemütliche Stube. Da sitzt ein Mann, der am 1. März in Kristiansand (Südnorwegen) abgefahren ist und mit seinem Ruderboot sein Land umrudert. 5-65 km legt er pro Tag zurück und manchmal ist er nach 5 km so müde wir nach 65 km - je nach Wind. Stolz zeigt er uns sein Boot. Wir sind beeindruckt.


Am nächsten Tag spazieren wir um die kleine Halbinsel. Da plötzlich verschwindet ein Fuchsschwanz. Wir gehen etwas näher um den Eingang der Höhle zu beobachten. Der Fuchs kommt wieder heraus, legt sich hin, beobachtet uns und findet dann etwas Lebendiges zum Spielen und Fressen. So nahe haben wir beide noch nie einen Fuchs gesehen.


Wir gehen wieder an den Hafen und treffen dort eine Frau aus Lausanne, die mit dem Velo am Nordkapp war und heute ihren ersten Pensionierungstag hat. Sie wollte frei und unabhängig sein und wählte dafür die Velotour. Im Mageröytunnel sei es sehr kalt. Unten im Tunnel hat sie Pause gemacht und ist dann 200m steil nach oben getreten – beeindruckend. Neben dem Hafen besuchen wir ein Samichlausmuseum, eine Sammlung von 61 Jahren.


Am 2. Juli fahren wir nach Gamvik. Die Strasse schlängelt sich durch sehr karge und kahle Landschaft. Vor 21 Jahre waren wir auch schon hier und suchen nun das Hytter, in dem wir übernachtet haben und finden es nach einigem Suchen. Beim Leuchtturm stehen wir wieder am Ende des Festlandes Europas. Dort hört auch die Strasse auf und da stellen wir den Bänz hin. Vor dem angesagten Regen wandern wir durch die Gegend ans Meer. Und dann kommt er ausgiebig und füllt die Schlaglöcher.


Tags darauf lesen wir die Zeitung und trinken Kaffee und Tee. Im Regen fahren wir zurück nach Mehamn und weiter Richtung Ifjord. Das schreibe ich Monica. Auch sie sind 70 km vor Ifjord. Wir treffen uns zum Mittagessen und dann reisen wir nach Berlevag. Es ist eine lange Fahrt durch Birkenwald, Felsen, Steine und karge Ebenen mit Rentieren und Schafen. Nebel und Regen zeigen nur graue und düstere Aussicht.


In Berlevag treffen wir den Ruderer wieder auf dem Campingplatz. Für die nächsten 80 km nach Hamningberg braucht er etwa 24 Stunden, darum muss er gutes Ruderwetter abwarten. Um 21.30 Uhr wollen wir zum Hafen um die Kreuzung der beiden Hurtigrutenschiffe zu dokumentieren. Aber Halt, Schock: Mein Rucksack ist verschwunden, vergessen aber wo? Im Samichlausmuseum? In Ifjord im Restaurant? Von dort kommt das erlösende Telefon. So kann ich das Treffen der Hurtigrutenschiffe auch bewundern soweit das in Regen, Wind und Kälte möglich ist.


Also, es gibt einen Fahrtag. Für den Rucksack sind es 176 km mehr. Noch ein Mittagessen in Ifjord und dann fahren wir über die Tana Bru zum Varangerfjord auf einen Platz mit Sauna.

Auf der Weiterfahrt besuchen wir das Samimuseum Mortensen und tauchen in die Kultur ein.



5. - 7. Juli   Vardö 



Unterwegs treffen wir einen futuristischen Velofahrer aus Hannover mit einem Quattro-Liegevelo, der damit bis zum Nordkapp fuhr. Er erklärt uns sein Gefährt, mit dem er auch im Regen trocken bleibt und in welchem er sogar auch übernachten kann!

Unser nächster Halt ist in Kiberg. Dort besuchen wir das Partisanenmuseum. Im 2. Weltkrieg war die Finnmark von den Nazis besetzt und ganz stark befestigt. Die Partisanen kooperierten mit den Russen, die zu den Alliierten gehörten. Nach dem Krieg lebten sie zwar weiter, aber überwacht aus Angst vor dem Kommunismus. Erst 1992 dankte ihnen der König für ihren Einsatz und rehabilitierte sie. Wir finden eine Zusammenstellung aller von den USA an Russland gelieferten Waffen, mit denen sie gegen die Nazis kämpften es sind ungeheuer grosse Zahlen. Ein spannendes aber auch düsteres Haus.


Vardö im äussersten Osten war ein Wunschziel von Beatrice. Auf die Insel führt ein Unterwassertunnel, dessen Eingang wie ein Fischmaul aussieht. Ich wandere allein durch den Ort, weil Hans Computerarbeit erledigen will. Ich sehe die Kirchentür offen und ein Mann, der mich zu erwarten scheint. Das tut er wirklich und er erklärt mir den Bau der Kirche von 1958 und das Altarbild. Als ich ihn frage, ob er der Pfarrer sei, meint er, er sei ein kirchlicher Touristenführer. Interessant. Er kann gut deutsch. Auch vor dem Pomorenmuseum werde ich angesprochen, aber mich interessiert das Hurtigrutenschiff mehr. Auffallend ist das laute Gekreisch und Geschrei der Möwen, die auf den kleinsten Fenster- und Dachvorsprüngen nisten. Am Abend laden uns Monica und Peter zu feinem Eierlikör ein.


Am nächsten Tag besuchen wir zuerst das Pomorenmuseum. Die Pomoren lebten am weissen Meer von Russland und trieben regen Handel mit Norwegen: Holz und Getreide von den Pomoren gegen Fisch von den Norwegern. Mit der russischen Revolution 1917 wurden die Grenzen geschlossen und der Handel hörte auf. Das Museum war wirklich super, alle Texte waren in 6 Sprachen übersetzt: Französisch, Englisch, Finnisch, Deutsch, Italienisch und Russisch. 


Dann besuchen wir das Steilneset, das Hexenmahnmal von Peter Zumthor und Louise Bourgeois. Zwischen 1601 und 1692 wurden hier in Vardö 91 Hexen getötet, 77 Frauen, die meisten Norwegerinnen und 14 Männer, Samis. Nach gnadenloser Folterung in der die Opfer Dinge zugaben, die aus der Fantasie der Folterer entstammten, wurden sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt. In einem langen Fischgestell gibt es kleine quadratische Ausblicke für jedes Opfer, eine kurze Personenbeschreibung und eine Lampe, die brennt. Im Kubus nebenan brennt auf einem Stuhl ein Feuer, das sich in den Spiegeln multipliziert, ein Symbol für die Scheiterhaufen. Ein Ort, der sehr betroffen und nachdenklich macht. Warum werden Menschen verurteilt für Sitten und Gebräuche, z.B. trommeln oder Runen? Woher kommt dieser Hass auf Frauen? Wie kommen Sadisten an die Macht und warum gerade die? Fragen über Fragen und wohl wenige Antworten.


Die meisten dieser Prozesse wurden in der Festung Vardöhus geführt. Es ist die nördlichste Festung der Welt, eine achtkantige sternförmige Anlage von 1738. Innerhalb der Mauern hat es 9 Gebäude. Die Festung wird nur noch an Nationalfeiertagen gebraucht. Wir sehen die Kanonen und ich denke: Es ist genau das Gleiche wie heute: Männer und Macht. 


Das Hurtigrutenschiff holt mich aus der düsteren Stimmung. Dann hat Hans die Idee nach Hamningberg zu fahren. Es ist eine abenteuerliche Fahrt auf einer schmalen einspurigen Strasse durch Felsen und Steinwüste. Auf einer Wiese stehen weit verstreut andere Camper und der Bänz. Der Morgen ist traumhaft: Sonne, klare Sicht und steifer Wind. Wir wandern auf einen Hügel, der im 2. Weltkrieg eine Festung war. Im Ort werden auch Königskrabbensafaris angeboten. Ein Safarischiff kommt zurück und drei gefangene Exemplare werden mit einem grossen Messer aufgeschnitten, die Beine gesammelt und die Körper ins Meer geworfen – nix für uns.


So eine Überraschung, wir treffen den Ruderer wieder. Er sitzt hier fest. Der starke Wind würde ihn zum Nordpol treiben. Nach Kirkenes braucht er noch etwa 4 Tage. Hans darf ein Foto von ihm machen, nur seinen Namen haben wir nicht erfragt, schade.


Wir schlendern durchs Dorf, essen eine frische Waffel und fahren dann nach Vardö zurück. Es fehlte uns an Trinkwasser und der einzige Brunnen gab nur eine bräunliche Brühe her. Wir übernachten noch einmal am selben Stellplatz. Vardö ist auch bekannt für Malereien an Hausmauern.



8. - 10. Juli  Kirkenes


Es ist die östlichste Stadt von Norwegen. Wir fahren um den Varangerbotn. In Vadsö halten wir in einer Bakkeri für einen feinen Zmorge. Beim Samifreiluftmuseum regnet es leider so stark, dass wir gar nicht aussteigen. Auch in Bugöynes haben wir Pech: Wir haben einen Platz erobert, aber dann wird uns gesagt, dass dieser vorreserviert sei. Also fahren wir weiter nach Kirkenes an den Hafen. Da gefällt es uns sehr gut: Die Hurtigruten halten vor unserer Nase, das Gelände ist offen und weit, in die Stadt ist es nur ein Kilometer und die Rentiere besuchen uns oft.


Kirkenes bestand 1890 aus drei Häusern und einer Kirche. Der Name bedeutet die Kirche an der Landzunge. Diese Kirche wurde als Grenze gebaut, damit die Russen die norwegische Grenze anerkannten. Sie waren damals sehr fromme Leute und die Norweger waren sehr arm, bis anfangs des 20. Jahrhunderts in der Gegend Eisenerz gefunden wurde. Ein Abendspaziergang in die nahe Stadt, sie ist fast ausgestorben aber im Hotel Scandic gibt es einen feinen Wein. 


Am nächsten Tag machen wir an einer Führung durch die Anders-Grotte mit. Es ist ein langer Gang in den Fels gehauen um die Bevölkerung vor den Bomben der Russen zu schützen. Kirkenes war durch die Nazis sehr gut befestigt, weil sie von dort aus Murmansk erobern wollten. Über Murmansk wurden die Russen von den Alliierten und den USA mit Nachschub eingedeckt. Wer Murmansk eingenommen hatte, hatte auch den Krieg gewonnen. Aber die Russen wehrten sich und starteten einen Gegenangriff auf Kirkenes, damit die Nazis den Nachschub nicht mehr torpedieren konnten. Kirkenes wurde bombardiert und eingeäschert.


Am Mittwoch, 10. Juli, haben wir Haarschnitt Termin. Beide sind in kurzer Zeit gewaschen, geschoren und neu frisiert. Dann besuchen wir das Grenseland Museum. Da erhalten wir nochmals einen Einblick in die Geschichte der Stadt mit heute 3400 Einwohnern in Wort und Bild. Es war ein echt spannender Aufenthalt.


Mit etwas Wehmut verlassen Norwegen und machen uns auf die Heimreise südwärts nach Finnland ins Mückenland.



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