Islands Norden 22. Juli - 5. August
Endlich, nach 17 Tagen Reise sehen wir erstes Land von Island, farbige Felsen, orange Leuchttürme, blauer Himmel und Meer. Wir haben wieder Glück und sind schnell aus dem Bauch des Kolosses. Es werden trotz aufwändiger Registrierung nur die Nummernschilder auf einer Liste der Zöllner kontrolliert.
In Egilstadir decken wir uns mit Lebensmittel für die nächsten Tage ein. Der Supermarkt öffnet erst um 10 Uhr und bis dann kommen auch Milly und Heinz an. Unser nächstes Ziel ist Bakkergerdi, ein berühmter Vogelfelsen mit Puffins und Möwen, einfach viel näher als auf den Färöern. Zum Übernachten fahren wir am Camping vorbei. Milly und Heinz finden einen Platz weit abseits der Strasse. Das ist ja eigentlich verboten und etwas Unruhe verspüren wir schon, aber die Ruhe und die Weitsicht entschädigen uns.
Das Wetter ist nur im Nordosten schön, also bleiben wir im Norden. Weite und Farben entlocken uns immer wieder ah und oh-Rufe. Wir besuchen ein Wasserkraftwerk, und eine fotogene Kirche, ein niederschwelliges Kulturangebot. Sie ist sogar offen. Etwas später entdecken wir die Torfkirche. Davon gibt es noch sechs in Island. Es ist eine Rekonstruktion einer alten Wikingerkirche. So schöne "Mauern".
In Vopnafjördur stellen wir uns auf den Campingplatz, Milly und Heinz an den Hafen. Ab etwa 18 Uhr füllt sich der Platz. Isländer mit Monsterwohnwagen fahren ein und stellen sich dazu. Wir stellen uns noch einen Meter näher an den nächsten, damit sie mehr Platz haben. Aber sie stellen ihren PW hinein und stellen auch noch ein Zelt auf, die Schnüre auf unserem Platz abgespannt. Wir sind richtig eingeklemmt. Nach dem Nachtessen nehmen wir Reissaus und stellen uns an den Hafen. Immer wieder beobachten wir, dass Isländer mit ihren Vehikeln grosse Wagenburgen aufstellen und dort die Idylle Pflegen. Platzangst scheinen sie keine zu haben. Am Hafen können wir die schöne Abendstimmung geniessen.
Zuerst fahren wir am warmen Bad von Selardalur vorbei. Aus purer Neugierde kehren wir wieder um und werden reich belohnt. Ein warmes Bad, 30 Grad, ein Hottube, 38 Grad und ein Kalttube, 4-6 Grad. Wir probieren sie alle mehrfach und sind dann sauber und sehr frisch. Im Hottube kommen wir auch ins Gespräch mit Isländerinnen.
In Raufarhöfn stellen wir uns auf den Parkplatz unter dem Stonehenge Islands. Er wurden 2003 gebaut, eine Mittelkuppe und Tore in allen vier Himmelsrichtungen. Da scheint die Mitternachtssonne durch. Zuerst regnet es ergiebig. Nach dem Regen beginnt ein tolles Wolkenspiel. Wir spazieren zum Leuchtturm. Kaum haben wir alle Lamellen geschlossen kommt böiger Wind auf. Zum Glück hält das Bimobil einiges ab, doch es schüttelt uns mächtig.
Unser nächstes Ziel ist Husavik und Walewatching. Unterwegs kommen wir am Asheidi-Nationalpark vorbei. Wir spazieren zum Teich unter dem Felsabbruch, Gletscherflussschlucht. Beim Visitor Center suchen wir einen windgeschützten Platz zum picknicken. Leider ist unsere Wahl nicht als Staffplatz angeschrieben. Wir werden unfreundlich und schulmeisterlich darauf hingewiesen und wir sollen den Abfall mitnehmen. Das machen wir dann bis zum Abfalleimer im WC.
Über ein Lavafeld und Schotterstrasse kommen wir zum Dettifoss. Die Sonne ist verschwunden, aber das Rauschen und die Wassermassen sind imposant. Da fallen pro Sekunde 200 Tonnen Wasser in die Tiefe. Das macht 85 Megawatt, weil er 44 Meter hoch ist. Der Rheinfall steht an 2. Stelle. Allerdings haben wir heute, 3. August, gelesen, dass der Rheinfall 700 Tonnen pro Sekunde bringt. - Man muss also dafür nicht nach Island.
In Husavik starten wir bei schönstem Sonnenschein auf eine Walewatchingtour. Über unsere warmen Kleider erhalten wir einen Anorak, der auch Schwimmweste ist - wirklich wir schwitzen. Wir sehen zwei Delfine springen und zwei Buckelwale. Sie geben sich sehr bedeckt. Wir sehen nur Buckel und keine Fluke.
Im Walmuseum studieren wir die gigantischen Tiere und ihre Herkunft.
Heinz und Milly wollen mit ihrem Bimobil ins Hochland, also verabschieden wir uns einstweilen. In Heidarbaer finden wir einen Camping: fully booked, closed, dabei ist er halbleer. Hans meint, fragen kann man immer und wir haben Glück. Wir erhalten einen Platz und geniessen den sonnigen Abend im warmen Bad. Am nächsten Tag regnet es Bindfäden. Das Highlight ist, dass wir endlich, nach unzähligen Versuchen, Mails und Telefone mit Swisscom und fast blanken Nerven den ersten Teil des Blogs online stellen können dank lokalem WiFi des Campings. Hurra. Hier sehen wir auch, wie es plötzlich aus der Erde dampft und die Energie für den Anbau von Tomaten, Gurken und Peperoni genutzt wird. und wirklich sie sind sehr aromatisch.
Der nächste Camping ist mitten in der Stadt Akureyri, direkt hinter dem Schwimmbad. Das ist genau richtig für die Stadtbesichtigung. Wir wandern zum Hafen und erfahren wie er sich im Lauf von hundert Jahren verändert hat. Das Kulturhaus Hof ist ein spezieller Rundbau aus Beton, Stein und Holz. Dort ist auch die erste Frau zu finden, die 1883 in Island abstimmen konnte, mehr als 100 Jahre vor der Schweiz. Sie ist sehr stolz. Im Pizza Smidian geniessen wir zusammen eine Italia-Pizza, dann besuchen wir Kirche und den Lystgardur, den botanischen Garten. Abschluss ist natürlich der Besuch im Bad, wo wir wieder im Hottube bei 42 Grad ins Gespräch kommen. Es braucht einfach viel Wärme für Begegnungen.
Bei schönstem Wetter fahren wir ins Eyjafjardardur, eine sehr fruchtbare Ebene mit Rinderzucht und Marshmallow produktion. Es sind Nature, Pistache, Himbeer und Lakritze auszumachen. Nach etwa fünf Kilometer auf einer Hochlandroute müssen wir umkehren - es ist uns zu ruppig und es hatte schon zwei Fürtchen.
Nördlich von Dalvik gibt es eine kleine Abzweigung in eine Kiesgrube. Die nehmen wir und finden den Aussichtsplatz hoch über den Eyjafjördur, dem längsten Fjord. Es ist echt traumhaft - so richtiges Camping. Aber die Schafe finden das gar nicht. Am andern Morgen kommen sie neugierig vorbei und blöken ihren Revieranspruch richtig heraus. Leider verstehen sie kein schweizerdeutsch. Nach einer Scheibebputzaktion fahren wir nach Siglufjördur.
Da erwartet uns der nächste Höhepunkt: Nach der Besichtigung des Heringmuseums, Zeuge des Heringrausches von 1900-1970, spielen uns ein paar Leute die Heringverarbeitung im Akkord vor. Die Frauen schneiden den Kopf ab, ziehen die Innereien heraus, dann wird der Fisch gesalzen und in emsigem Tempo ins Fass gefüllt. Für jedes volle Fass bekam die Frau eine Münze in den Stiefel gesteckt, die sie am Feierabend in Geld, ihren Lohn, umwandeln konnte. 1970 blieben die Heringe aus und die Stadt leerte sich. Das Museum erhielt 2004 den Preis des besten Industriemuseums. In der Kirche treffen wir den Pfarrer, der hier 30 Jahre tätig war.
In Hofsos besuchen wir das Auswanderungsmuseum. 1870-1914 wanderte etwa ein Fünftel der isländischen Bevölkerung nach USA, Kanada und Brasilien aus. Treiber waren sonnenarme Sommer, schlechte Ernten, Hunger und sehr hartes Leben. So konnten sie sich und ihren Familien ein besseres Leben ermöglichen. Die Parallelen zu heutigen Flüchtlingswellen stimmen nachdenklich.
In Holar auf dem Waldcamping ist alles voll und der Bär los. Da steht doch ein Landi mit ZH-Nummer. Nach der Begrüssung erfahren wir, dass Pia und Felix aus Winterthur kommen und uns grosszügig einen Teil von ihrem Platz überlassen. Mit ihnen verbringen wir zwei wunderschöne Tage voller Erzählungen von Geschichten, Erfahrungen und Tipps. Am 1. August ist es grau, trüb und nass. Wir besuchen kurz den Bischofssitz in Holar. Es gab hier 23 katholische Bischöfe und 13 lutherische. der letzte katholische Bischof wurde 1550 mit seinen beiden Söhnen hingerichtet, weil sie sich der Reformation widersetzten. Leider ist das Pferdemuseum geschlossen. Bei Apero, Grillade und eifrigem Austausch beschliessen wir den Abend. Es wird schon etwas dunkler wegen Wald und Wolken.
Im "Ballenbergmuseum" Glaumbaer erfahren wir viel über Torfhäuser und das Leben in diesen dunklen Behausungen. Es gibt nicht viel Holz in Island, darum werden Torfziegel hergestellt und verbaut. Das Dach darf nicht zu steil sein, sonst wächst das Gras unregelmässig, wenn es zu flach ist, regnet es herein. Nur die Schlaf- und Gästezimmer werden mit Holz ausgebaut. Besonders imponiert haben mir die Schlittschuhe.